In der ersten Hälfte der 80er Jahre bescherte der Bau der Autobahn A 31 vom Ruhrgebiet nach Ostfriesland einigen Stichstrecken im westlichen Münsterland noch einmal ein kurze Wiederbelebung, bevor der Betrieb dann endgültig eingestellt wurde. Über die Streckenabschnitte Coesfeld - Gescher, Haltern-Schermbeck und die WLE-Strecke Ahaus-Heek wurden Massengutzüge mit Abraum aus dem Ruhrbergbau ("Waschberge") zum Auffüllen der Dammbauten an die Baustellen herangeführt.Die Waschbergzüge fuhren mit je einer Diesellok Baureihe 221 des Betriebswerks Gelsenkirchen-Bismarck am Anfang und Ende des Zuges. Die folgenden Bilder wurden im August 1984 zwischen Coesfeld und Gescher aufgenommen. Die Bilder stellen jeweils verschiedene Züge in den aufeinanderfolgenden Betriebsabläufen bei einem Waschbergtransport auf der Strecke zwischen Coesfeld und Gescher dar.
Die Züge aus dem Ruhrgebiet erreichten Coesfeld über die alte Verbindung Oberhausen - Dorsten - Rheine. Das erste Bild zeigt 221-106
als Schublok am Ende des Zuges nach dem Passieren eines Feldwegübergangs im Letter Bruch. Der Zug wird gleich die Blockstelle Heubach durchfahren und in wenigen Minuten Coesfeld erreichen. Dort macht der Zug Kopf und 221-106 führt dann als Spitzenlok das Gespann auf der alten Strecke Coesfeld-Borken bis zur Entladestelle in Tungerloh-Kapellen südöstlich von Gescher.



Im Jahre 2001 war auch die Brücke über die Oberhausener Strecke noch vorhanden, musste bald darauf aber wegen Baufälligkeit demontiert werden.

Im Sommer 1984 trägt die Brücke noch schwerste Lasten als sich dieser schwere Waschbergzug auf dem Scheitelpunkt der Überführung in die Kurve legt.



Gehen wir zurück in das Jahr 1984 und blicken mit dem Beobachter am gleichen Standort jetzt in die andere Richtung an das Ende des nach Gescher weiterrollenden Zuges. Begleitet von zahlreichen Signaltönen vor den ungesicherten Bahnübergängen windet sich die Wagenschlange durch die Bauernschaft Flamschen; ein ungwohnter Anblick für diese Nebenstrecke, die in den zehn Jahren seit der Einstellung des Personenverkehrs 1974 nur gelegentliche Übergaben mit Kleinlok zu den Verladestellen in Gescher und Velen erlebt hat.


Die Streckenverbindung war 1903 durchgängig von Münster über Coesfeld, Borken und Bocholt nach Empel-Rees eröffnet worden. In den Nachkriegsjahren verkehrten hier noch zahlreiche Schienebusse, Vorkriegstriebwagen und 078er-Tenderloks mit dreiachsigen Umbauwagen.
Allerdings betrieb die DB schon früh einen Omnibusverkehr parallel zur Schienenstrecke und dünnte ab der zweiten Hälfte der 60er Jahre das Zugangebot immer mehr aus. Die zahlreichen ungesicherten Übergänge reduzierten die Geschwindigkeit auf 60 km/h. Möglicherweise hätte diese Verbindung zwischen den für Eigenheimbauer beliebten Wohngemeinden des Westmünsterlandes an das Oberzentrum Münster im Zuge der Wiederbelebung des Schienennahverkehrs mit moderner personalsparender Betriebstechnik und neuen Rollmaterial wieder eine Chance gehabt, wenn die Trasse erhalten geblieben wäre.
Nach dem Passieren des Überwegs läßt die Abgasfahne der Schlusslok ahnen, dass die Maschinen trotz der geringen Geschwindigkeit noch ein gutes Stück Arbeit zu leisten haben. Die Spitzenlok hat gleich den mit Lichtzeichen und Halbschranken gesicherten Übergang an der Verbindungsstraße Coesfeld-Hochmoor-Velen erreicht und nähert sich der Heidelandschaft von Goxel.

Der Waschbergzug rattert durch ein Waldstück bei der Wohnsiedlung Goxel Richtung Klye, einem längst aufgegebenen Halte- und Verladepunkt an der Kreuzung der Strecke mit der Bundesstraße 67. Auf der Trasse befindet sich heute zum Teil ein Radweg. Andere Abschnitte sind überpflügt worden.

Langsam schiebt die "V 200" den Wagenzug an der Entladestelle bei Tungerloh-Kapellen vorbei. Von dort wird das Erdreich zu den einzelnen Dammaufschüttungen per LKW weiterbefördert. Der an dieser Stelle bereits aufgetürmte Autobahndamm bietet einen idealen Fotosstandpunkt. Später wird der Damm auch die Bahntrasse an dieser Stelle abschneiden. Die fehlende Unterführung schließt eine künftige Wiederaufnahme des Schienenverkehrs endgültig aus.
Hier befindet sich heute die Autobahnauffahrt Coesfeld-Gescher.



Der Fotograf vom Sommer 1984 ist zum Schrankenübergang an der Oberhausener Strecke zurückgekehrt, die wir im zweiten Bild bereits kennengelernt haben. Der Leerzug hat in Coesfeld die Fahrtrichtung geändert und kehrt in zügiger Fahrt nach Dorsten zurück. Im Hintergrund erkennt man an den Telegrafenmasten den parallel verlaufenden Bahndamm, der die Züge Richtung Borken zur Brücke über die Oberhausener Strecke führte.

Die weiterhin befahrene Strecke von Coesfeld nach Oberhausen war in den 90er Jahren wegen ihres schlechten Zustandes gefährdet, wurde dann aber noch einmal instandgesetzt. Dies Foto zeigt den Bauzustand bei dem Block Heubach im Oktober 2006 . Von dem hier hinter der Kaserne in Flamschen einst vorhandenen Überholungs- und Begegnungsbahnhof ist nichts mehr übriggeblieben.
2 Kommentare:
Danke für diesen sehr wertvollen Bericht über diese Strecke...Gibt es eigentlich auch Video-Material darüber?
MFG
Andreas
Danke für den umfangreichen Bericht.
Ich habe 1960 längere Zeit im Haus Hall in Gescher gearbeitet (Fernmeldeanlagenbau) und bin jeden Morgen von Münster dorthin gefahren.
War immer eine beschauliche Reise mit dem roten Schienenbus .
Fast 60 Jahre ist's her .
MfG Hermann
Kommentar veröffentlichen